Idealismus

Idealismus
   (begrifflich von Idee abgeleitet), ein Sammelbegriff für philosophische Theorien, in denen im Unterschied zum Materialismus den Ideen (dem Geist) im Sein wie in der Erkenntnis der Vorrang zukommt vor dem innerweltlich Seienden. Platon († 347 v.Chr.) unterschied zwei Seinsbereiche, den des übersinnlichen, beständigen ”idealen“ Wesens u. Seins sowie den daran nur teilhabenden (Teilhabe) Bereich der sinnlichen, vergänglichen ”realen“ Seienden. Dabei kommt es der Vernunft zu, die beständige übersinnliche Idee im voraus zu dem zu erkennen, was dann in der wechselnden sinnlichen Erfahrung wahrgenommen wird (”ontologischer I.“). In der Neuzeit wurde die Idee in den Bereich der Subjektivität verwiesen; sie gilt als die Vorstellung, die sich das menschliche Bewußtsein von den äußeren Dingen macht (”psychologischer I.“ im Cartesianismus, bei J. Locke †1704, D. Hume †1776). Bei I. Kant († 1804) u. den ihm folgenden Philosophen erfolgt ein ”Überschritt“ über den Bewußtseinsbereich hinaus zu den noch vor dem Bewußtsein liegenden Strukturen der endlichen Subjektivität, zu dem Bereich der Bedingungen der Möglichkeit endlicher Erfahrungen u. Handlungen. Idee gilt hier als Bedingung der Vernunft, als Regulativ u. Norm (”transzendentaler I.“). Schließlich wird die Meinung wirksam, beim Rückgang in die Subjektivität begreife diese sich selber als die Idee, als einen inneren, absoluten Einheitsgrund, aus dem alles Unterschiedene u. Unterscheidbare erst hervorgingen (”absoluter I.“ bei J. G. Fichte †1814, F. W. J. Schelling † 1854, G. W. F. Hegel †1831). Insgesamt hatte u. hat der I. in allen Spielarten seine große Bedeutung, auch wenn die Versuche, die gesamte Wirklichkeit als ein einziges System zu durchschauen, gescheitert sind. Er besteht auf der Erkenntnisfähigkeit des Verstandes (anders als die irrationalen Mentalitäten), auf der Bedeutung der Bemühungen um Wahrheit (über die praktische Lebensgestaltung hinaus), auf der unabweisbaren Frage nach dem Sinn u. dem Ganzen (gegen den heute weit verbreiteten Positivismus), auf der Erkennbarkeit geltender Normen (gegen den ebenfalls verbreiteten Relativismus) . Eine produktive theol. Auseinandersetzung bestand vor allem in einer bis zur Gegenwart andauernden Kritik an Hegel. Die neuere Theologie, auf ev. Seite schon seit F. Schleiermacher †1834, auf kath. Seite, mit Ausnahme der Begegnung der Tübinger Schule mit dem I., erst nach Überwindung der Neuscholastik im 20. Jh., ist vomI. beeinflußt, wird aber anders als er durch ihr geschichtliches Denken (Geschichtlichkeit) dem Unverfügbaren u. Unkalkulierbaren in der Freiheit Gottes u. derMenschen neu gerecht.

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

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  • Idealismus — (abgeleitet von, gr. ἰδέα, Idee, Urbild, Aussehen, Beschaffenheit) bezeichnet in der Philosophie unterschiedliche Strömungen, die (sehr grob zusammengefasst) gemein haben, dass das eigentlich Wirkliche die Ideen sind; was wir wahrnehmen, seien… …   Deutsch Wikipedia

  • Idealismus — Idealismus, das philosophische System, welches das Ideale als ursprünglich, das Reale als abgeleitet setzend, entweder die Dinge außer sich für bloße Vorstellungen des betrachtenden wirklichen Subjects, od. das Bestehen der Sinnenwelt wenigstens… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Idealismus — (neulat.), ein sehr vieldeutiger philosophischer Kunstausdruck. Zu unterscheiden ist vor allem zwischen dem praktischen und dem theoretischen I. Der praktische oder ethische I. bezeichnet die charakteristische Richtung und Färbung des gesamten… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Idealismus — Idealismus, die dem Realismus, resp. dem Materialismus gegenüberstehende Weltanschauung, nach welcher alle Dinge nur Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen sind. – Idealíst, Anhänger des I.; idealistisch, dem I. gemäß, denselben betreffend …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Idealismus — Idealismus, griech. dtsch., diejenige Weltanschauung, welche bei der Betrachtung und Beurtheilung der Wirklichkeit nicht vom Gegebenen, Erfahrungsmäßigen und Unvollkommenen, sondern vom Seinsollenden, Idealen, Vollkommenen ausgeht; der I.… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Idealismus — ist die Fähigkeit, die Menschen so zu sehen, wie sie sein könnten, wenn sie nicht so wären, wie sie sind. «Curt Goetz» …   Zitate - Herkunft und Themen

  • Idealismus — Ide|a|lis|mus [idea lɪsmʊs], der; : 1. der Glaube an Ideale, das Streben nach Verwirklichung dieser Ideale und die Neigung, die Wirklichkeit nicht zu sehen, wie sie ist, sondern wie sie sein sollte: von jugendlichem Idealismus erfüllt; sie ist… …   Universal-Lexikon

  • Idealismus — a) Ergebenheit, Glaube, Gläubigkeit, Überzeugung. b) Anteilnahme, Aufopferung, Begeisterung, Eifer, Hingabe, [innere] Beteiligung, Leidenschaft, Opferbereitschaft, Passion; (geh.): Inbrunst; (bildungsspr.): Engagement, Enthusiasmus. * * *… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Idealismus — I·de·a·lịs·mus der; ; nur Sg; 1 die Neigung, alles so zu sehen, wie es sein sollte ↔ Realismus: jugendlicher, schwärmerischer Idealismus 2 das Bemühen, seine Ideale (1) zu verwirklichen (ohne auf den eigenen Vorteil zu achten) ↔ Egoismus: Er… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Idealismus — ideal: Das schon im 17. Jh. in Zusammensetzungen wie »Idealform« und »Idealbild« im Sinne von »mustergültig, vorbildlich, vollkommen« bezeugte Adjektiv begegnet seit dem 18. Jh. zunächst in der Form »idealisch«, seit dem 19. Jh. in der daraus… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Idealismus (Philosophie) — Idealismus (abgeleitet von, gr. ιδέα, Idee, Urbild, Aussehen, Beschaffenheit) bezeichnet in der Philosophie unterschiedliche Strömungen, die (sehr grob zusammengefasst) gemein haben, dass das eigentlich Wirkliche die Ideen sind; was wir… …   Deutsch Wikipedia

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